Solche Tage gibt es: wenn gar nichts mehr geht. Wenn ich mich anstrengen muss, um im Alltag zu funktionieren und innerlich den Kopf hängen lasse. Wenn ich mir selbst leid tue und mit dem Gedanken spiele, wieder einen bequemen Vollzeitjob anzunehmen (von dem ich weiss, dass ich in zwei Jahren damit kreuzunglücklich sein werde). Wenn ich das diffuse Gefühl habe, ich komme nicht weiter in meinem Leben. Wenn meine üblichen Rezepte gegen den Blues, wie ein Spaziergang oder ein gutes Buch, nicht zu helfen scheinen.
Dann fühle ich mich wie im Nebelmeer auf der Rigi (einer der Luzerner Hausberge). Keine zehn Meter Sicht. Der Gleichgewichtssinn komplett aus dem Ruder. Ich schwebe im Trüben, im Nichts, ohne Schwerkraft, ohne jegliche Orientierung oder Kontrolle. Mein Gang ist verzagt, meine Fantasie spielt verrückt – was, wenn ich beim nächsten Schritt über den Abhang trete? Was, wenn die schemenhafte Gestalt dort drüben sich als furchterregener Yeti entpuppt? Was, wenn der Nebel sich festsetzt, ich mich vor lauter Angst keinen Schritt weiter bewege und jetzt stunden- oder tagelang an der Stelle verharren muss?
Wie im Nebel auf der Rigi stecke ich so im Trüben meiner negativen Gedanken fest, und noch nicht einmal der Wille, etwas Kreatives zu tun, kann mich aus dem Loch herausreissen. Im Gegenteil – in dieser Negativität schwebend, kann es gefährlich sein, ohne Orientierung weiter zu machen, mich zu exponieren oder mich in eine Sackgasse zu verrennen, aus der ich nicht mehr herausfinde. Weil ich in einer solchen Stimmung dazu neige, in allen Anforderungen nur das Furchterregende, das Anstrengende und Negative zu sehen.
Aber inzwischen weiss ich, dass die trübe Phase vorbeigehen wird. Es tut mir gut, mich in solchen Momenten nicht weiter unter Druck zu setzen. Ich schalte einfach einen Schritt zurück, erledige nur das Notwendige, und vertraue darauf, dass die Niedergeschlagenheit vorbeigehen wird. Oft ausgelöst durch ein äusseres Ereignis, einen schönen Film, ein gutes Gespräch. Dem inneren Zweifler, der sich bei trüber Stimmung regelmässig in den Vordergrund drängelt, gebe ich einen imaginären leichten Klaps und schicke ihn dahin zurück, wo er hingehört: in den Hintergrund.
Dann lichtet sich die Wolkendecke auf der Rigi und die Schemen nehmen Gestalt an. Ich befinde mich immer noch auf dem richtigen Weg – der Abgrund ist weit weg (und ausserdem mit einem Geländer gesichert). Der Yeti entpuppt sich als schneebehangene Tanne und mein Orientierungssinn meldet sich zurück – ich geniesse die Fernsicht und das schöne Gefühl, meinen Weg wieder zu kennen.
Alles ist möglich. Ich hebe den Blick und versöhne mich wieder mit der Welt und mir selbst.