Wenn Unternehmen an Burnout zerbrechen

Wenn Unternehmen an Burnout zerbrechen

Ein Burnout, von der Weltgesundheitsorganisation WHO als multifaktorielle Befindlichkeitsstörung definiert, ergibt sich aus belastenden äusseren Umständen und einer reduzierten Resilienz oder Widerstandskraft. Ist die rasant steigende Zahl von Burnout-Betroffenen schon für grosse Unternehmen, für Versicherungen und die öffentliche Hand ein gigantischer Kostenfaktor, so treffen Burnouts in KMU unsere Wirtschaft direkt ins Herz. Von Ulrike Stedtnitz  (Erstmals publiziert in Alpha Kadermarkt der Schweiz)

Welche äusseren Umstände belasten insbesondere KMU? Seit der globalen Finanzkrise ab 2008 hat der finanzielle Druck bei den KMU stark zugenommen. Laut einer aktuellen Studie der Zurich Versicherung sehen fast die Hälfte der befragten KMU das grösste Risiko ihrer Geschäftstätigkeit in mangelnder Nachfrage wie auch in Überbeständen. Der globale Wettbewerb führt zu immer knapperen Margen – schon ein Problem für ein ganzes Drittel der KMU. Die KMU wurden dabei von der Finanzkrise besonders hart getroffen. Ein existenzgefährdender Verlust von einem Drittel des Umsatzes war keine Ausnahme. Unternehmen und Inhaber mussten sich in der Folge verschulden, was heute noch stark die Investitionen bremst. Aktuell finanzieren sich zwei Drittel der KMU aus Eigenmitteln, auch schon, weil aufgrund eines zunehmend geringen Eigenkapitals Bankkredite in weite Ferne gerückt sind.Woraus ergibt sich die reduzierte persönliche Resilienz bei den Inhabern von KMU? Weil Inhaber mit Herzblut ihr Unternehmen aufgebaut haben, tun sie oft alles, um es am Leben zu erhalten. Bei finanziellen Engpässen investieren Inhaber dann zuerst in die Firma – und vielleicht nicht einmal nach einer gesundheitlichen Krise in sich selbst. Dies, obwohl sie die zentrale und wichtigste Ressource des eigenen Unternehmens sind. Wenn dann zu den geschäftlichen Belastungen noch private Krisen dazu kommen, so ist die Belastungsgrenze schnell erreicht. Dazu scheuen sich viele Inhaber vor dem Austausch mit anderen und verschärfen so den Druck.

Relevanz für Schweizer Wirtschaft

2008 beschäftigten unsere rund 320 000 KMU 99.6 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmner. Davon waren 87 % in Mikrounternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden tätig. Die KMU bilden zudem 70 % der Lernenden hierzulande aus. KMU sind die Schweizer Volkswirtschaft.

Warum nun ist es so prekär, wenn immer mehr Führungskräfte und vor allem auch Inhaber von KMU von Burnout betroffen sind? In einem KMU ist der Chef die Firma. Ein Ausfall kann ein florierendes Unternehmen gänzlich lähmen, auch schon, wenn die Arbeitsleistung der Chefin beträchtlich reduziert ist. Für KMU gibt es kein vergleichbares Sicherheitsnetz für Führungskräfte wie in grossen Unternehmen. Eine Krankschreibung oder eine Regenerationsphase von einigen Monaten beispielsweise, sonst üblich, ist für die meisten KMU-Inhaber schlichtweg kein Thema, schon aus finanzieller Sicht. Auch ein Wechsel der Arbeitsstelle, sonst eine häufig gewählte Option für Arbeitnehmer, kommt nicht in Frage – es sei denn, der Betrieb wird aufgelöst oder verkauft.

Lösungsansätze

Auf gesellschaftlicher und politischer Ebene drängt sich vor allem eine finanzielle Unterstützung der KMU auf – so über alternative Finanzierungsmöglichkeiten, Beratung zur Liquidität und zum Umgang mit Verschuldung. Auf der strategischen Ebene müssen KMU immer wieder ihre Effizienz und Produktivität überdenken. Es lohnt sich, ein oder mehrere Worst Case Szenarien anzudenken. Das kann entlasten. Und auch wenn es der unternehmerischen Intuition zuwiderläuft: Firmenchefs müssen immer wieder Zeitoasen einplanen und konsequent verteidigen. Dies kann nicht zuletzt mit der Umstellung auf neue Arbeitsformen wie selbst organisierende Kleinteams gelingen.

Eigene Sensibilität entwickeln

Es gilt, sensibel für die Frühsignale von Burnout zu sein: wie der zunehmende Abbau von Freizeit und sozialen Kontakten, Interesse­losigkeit und körperliche Symptome wie Schlafstörungen oder permanenter Verspannung. Und wissen, dass regelmässige Regenerationszeit eine hervorragende Investition in das eigene Unternehmen, in sich selbst und eben auch in unsere Wirtschaft als Ganzes ist.

Ulrike Stedtnitz ist promovierte Psychologin und seit 30 Jahren Inhaberin und Geschäftsführerin der «stedtnitz.design your life.GmbH»(www.stedtnitz.ch). Sie kennt alle Höhen und Tiefen des KMU-Managements und befasst sich aktuell intensiv mit Burnout-Prävention in Unternehmen.

Ulrike Stedtnitz: «Auch Firmenchefs müssen immer wieder Zeitoasen einplanen und konsequent verteidigen.»